'"Spartanische Pädagogik deutscher Art": The influence of Sparta on the Royal Prussian Cadet Schools (1818-1920)'
in Das antike Sparta, ed. Anton Powell, Vassiliki Pothou, Stuttgart (Franz Steiner Verlag), 2017, pp. 157-80.
Spartas Bedeutung für das pädagogische Milieu des Königlich Preußischen Kadettenkorps im 19. und frühen 20. Jahrhundert hat weit weniger Aufmerksamkeit auf sich gezogen als der Einfluss Spartas während des Dritten Reichs. Dabei können in allen Genres der Kadettenanstalts-Literatur Belege gefunden werden, die darauf hinweisen, dass Kadetten, ihre Erzieher und zeitgenössische Kommentatoren des Systems alle der Idee anhingen, die Schulen als preußisches „Sparta rediviva“ oder „Neu-Sparta“ anzusehen.
1717 von Friedrich Wilhelm dem Ersten von Preußen gegründet, um Jungen für das preußische Offizierskorps vorzubereiten, gab es bis 1900 acht „Voranstalten“ (für Schüler zwischen 10 und 15 Jahren) und eine weiterführende „Hauptkadettenanstalt“ in Berlin. In den „Kadettenanstalten“ fand zwar kein tatsächliches militärisches Training statt, aber dafür wurde mehr Wert auf körperliche denn akademische Ausbildung gelegt, und zudem waren die Anstalten nach militärischem Vorbild organisiert.
Zeitgenössische Memoiren und Romane erwecken den Eindruck, dass den Jungen die „spartanische Jugend“ als Rollenvorbilder vorgeführt wurden, vor allem in Verbindung mit dem unnachgiebigen Ertragen von harten Umständen. Ausdrücke wie „er soll ein richtiger Spartaner werden“ wurden für Neuankömmlinge gebraucht, und Jungen wurden schikaniert, wenn sich herausstellte, dass sie ganz un-spartanisch „gepetzt“ hatten. An einer Schule erfanden Jungen sogar das Verb „spartanern“, um ihre Standhaftigkeit gegenüber selbstzugefügten Foltern zu beschreiben. Besonders wichtig ist Paul von Szczepanskis Roman mit dem Titel „Spartanerjünglinge“, in welchem der Protagonist stirbt, weil er sich weigert, zu „petzen“. In diesem Buch spielt insbesondere auch Plutarchs „Fuchsgeschichte“ ( Lykurg 18) eine Rolle, von welcher eine Version den Kadetten vermutlich im Geschichtsunterricht als Musterbeispiel zur Nachahmung vorgeführt wurde.
Doch es gibt auch viele Aspekte im Leben der Kadetten (z.B. zu wenig Essen und unzureichende Kleidung im Winter), welche große Ähnlichkeiten zu dem haben, was uns antike Quellen über die Erziehung spartanischer Jungen berichten. Die Hierarchie der Verantwortungsbereiche in den Kadettenanstalten, in denen ältere Jungen Autorität über jüngere gegeben wurde, und wo alle Jungen ständig unter der Aufsicht eines Erziehers (junge Leutnants in ihren frühen Zwanzigern, die man mit spartanischen eirenes gleichsetzen könnte), zeigt ebenfalls Ähnlichkeiten mit dem spartanischen Erziehungssystem. All diese Elemente des Lebens in den Kadettenanstalten verursachten oder verstärkten möglicherweise die Überzeugung der Kadetten, dass sie wirklich als junge Spartaner aufwuchsen.